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Nachrichten Sonntag, 24. Mai 2020 (Exaudi)

Meditativer Impuls für den Küchentisch

  

Liebe Leserin, lieber Leser,

zwar treffen wir uns wieder in der Kirche in Niederasphe, aber mit großem Abstand und Mundschutz. Für die, die zu Hause bleiben und sich dennoch darüber freuen ist diese Lesepredigt.

Der Name des Sonntags ist „Exaudi" und heißt: „Höre". Er ist aus Psalm 27 abgeleitet: "Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe!"

Liebe Menschen zu Hause, hören Sie den Predigttext aus Jeremia 31,31-34

Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der Herr; sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein. Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: „Erkenne den Herrn", sondern sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der Herr; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

Wir haben das Jahr 600 vor Christus. Die Babylonier haben das Land überfallen und annektiert. Die Oberschicht ist deportiert.

Der Prophet Jeremia hebt zitternd eine Tonscherbe auf, auf der diese drei Worte stehen: Damit du lebst.

Viele Scherben sind übriggeblieben. Der babylonische König Nebukadnezar hat das Land erobert. Unter seinen Sandalen knirschen die Trümmer des Jerusalemer Tempels. Alles, was Gott je gesprochen hat, alles, was an Liedern hier über die Jahrhunderte zu seinem Lobe gesungen wurde – nur noch drei Worte auf dieser Scherbe halten das fest. Damit du lebst!

Dabei ist nun alles zu Staub zerfallen... Immer wieder hat Jeremia ihnen dieses Unheil prophezeit. Kapitel um Kapitel hat er sein Volk ermahnt, dass sie die falschen Bündnisse schließen. Dass es Israel nicht gut tut, Götzenbilder anzubeten, militärisch zu paktieren und sich korrupten Financiers auszuliefern. Doch sie sind den falschen Propheten auf den Leim gegangen. Solchen, die von hoher Rendite geschwärmt und der Liberalisierung des Finanzmarktes das Wort geredet haben. Damals schon, vor zweieinhalb Jahrtausenden. Nicht Jeremia haben sie geglaubt sondern diesen falschen Propheten. Und so haben sie Waffen geschmiedet statt Pflugscharen. Nun liegen die Felder brach. Es gibt kaum noch Brot, das gerecht zu teilen wäre. Viel zu viele Menschen haben schon lang kein Auskommen mehr mit ihrem Einkommen. Zuviel Waffen und kein Mindestlohn. Blühende Landschaften hat man ihnen versprochen. Bitter enttäuscht stehen sie nun vor der Wüstenei und hungern, schlimmer denn je. Hungern nach Brot. Gerechtigkeit. Nach wahrem Wort.

Einsam steht Jeremia im Staub. Dort, an dem zerstörten Ort, wo Gott diesen Hunger immer zu stillen vermochte. Dort, wo er einst glanzvoll wohnte. Doch Gott ist ausgezogen. Er hat den einzigartigen Bund des Lebens mit seinem Volk aufgekündigt - wegen fortwährender Untreue. Mein Gott, mein Gott, denkt der Prophet, warum hast du uns verlassen? Die Leere an diesem Ort ist mit Händen zu greifen. Und in ihm schreien still drei Worte:

Gott fehlt. - Mir.

Gott fehlt. Mir.

Ich glaube, liebe Gemeinde, diese drei Worte kennen sehr, sehr viele Menschen auch in unserer Zeit. Mag sein, sie beziehen sich nicht immer auf Gott, doch allemal auf das Gefühl, einsam zu sein und irgendwie verloren gegangen.

Oder sie sorgen sich um ihre Lebensgrundlage. Manchmal gibt es Wüstenzeiten im Leben, in denen man sich so elend fühlt und angeschlagen und ungesehen. Da zieht jemand aus und sagt: Ich liebe dich nicht mehr. Oder der geliebte Mensch geht unwiederbringlich aus meinem Leben und lässt überall einen leeren Platz zurück.

Da hält eine Frau die ständigen Schläge ihres Mannes nicht mehr aus und das Kind nicht mehr diese vermaledeite Armut seiner Eltern. Die Düsternis in einem Leben hat viele Namen, auch hier unter uns. Und mir geht es immer furchtbar nahe, wenn die Gedemütigten, wenn die Kleingemachten mit dennoch oft so großem Herzen sich in solchen Zeiten nicht nur von der Welt, sondern auch von Gott verlassen fühlen.

Ich kenne das, manchmal kommt Gott einem so unverständlich vor. So fern. So abgehoben von der Realität. Und für viel zu viele ist Gott sowieso schon längst unbekannt verzogen. Keine Ahnung, wo er wohnt, sagen sie. Wie er heißt. Was er tut. Was er will. Und gerade jetzt, wenn es in den Kirchen heißt: „Er ist aufgefahren in den Himmel", fragen sie: Was soll das sein? und feiern lieber Vatertag. Es sei ihnen gegönnt.

Aber auch das andere gibt es. Wo ist, wer ist Gott? fragen inzwischen immer mehr Menschen und riskieren den Blick in den Himmel. Sie ahnen, dass es gut ist, entschiedener von sich und der eigenen Misere abzusehen und den Horizont auszumessen. Sie suchen. Wir suchen. Etwas, das einem den Sinn erklärt. Etliches wissen wir davon noch. Wir tragen zumindest Bruchstücke erfahrener Gottesnähe in uns. Wenn man so will: Scherben mit Lebensworten. Ein Lied zum Beispiel. Ein Bild von der Taufe des Kindes. Ungewohnte Worte wie Barmherzigkeit. Jesus. Und - ist es nicht so? - so ein Lied wie: „Weißt du, wieviel Sternlein stehen?" hält einen doch sofort in Armen! Da ist eine Sehnsucht tief in uns Menschen, ich bin sicher. Eine Sehnsucht, diese Bruchstücke unseres Lebens wieder zusammenzufügen zu einem guten Ganzen. Eine Sehnsucht deshalb auch, an der Vollkommenheit Gottes teilzuhaben und Gott aus der großen, himmlischen Weite in mein kleines Leben herunter zu holen. Damit es aufhört, das ständige „Warum?" Dies Gefühl, da sei kein Sinn dahinter. Damit es nicht mehr so einsam ist in schwerer Zeit. Damit man nicht mehr sagen muss wie Jeremia: Gott fehlt. Mir.

Jeremia wendet seinen flehenden Blick vom Himmel ab und schaut auf den Boden. Da leuchtet doch etwas? Zitternd hebt er die Scherbe auf. Und mit ihr Worte, die ihn retten.

Damit du lebst. Inmitten der Verlorenheit, unter Staub und Asche, unter Schuld und Not, da liegt dieses Lebenswort. Ja, letztlich liegt doch Gott selbst so zerbrechlich vor ihm. Fast hätte er ihn übersehen! Behutsam nimmt er die Scherbe in seine Hand und drückt sie ans Herz. So viel Innigkeit liegt darin. Damit du lebst...Es geht weiter.... Nein, es fängt etwas Neues an! Und dieses Neue, das versteht Jeremia in diesem Moment, kommt nicht mit Getöse und Macht. Sondern in Zerbrechlichkeit und Stille.

Stille.

Still, liebe Gemeinde. Damit wir ihn hören können:

Ich will einen neuen Bund schließen, sagt Gott. Nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit euren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen ... sondern das soll der Bund sein: Ich will mein Gesetz in euer Herz geben und in euren Sinn schreiben, und ihr sollt mein Volk sein und ich will euer Gott sein.

Damit sie leben.

Ein neuer Bund. Neu, das ist das Schlüsselwort unseres Predigttextes. Neu, denn der Bund ersteht aus dem Staub: Gottes Verheißung kommt aus der Tiefe und nicht aus der Höhe. Deshalb hat er seinen Ort auch nicht im Tempel. Er wohnt, nah unserem Herzen, bei uns. Der neue Bund wird nicht in Lettern verfasst, in Dogmen zementiert, von Lehrern eingetrimmt, mühsam auswendig gelernt. Der Glaube ist keine Gehorsamsleistung. Er macht uns nicht zu Kindern, die an der Hand des Vaters gehen müssen, damit sie den richtigen Weg finden. Sondern in diesem neuen Bund „erkennen alle, klein und groß", Kind und Mann und Frau, wer ich bin, spricht Gott.

Der neue Bund ist geprägt von dem Gedanken, dass ein Mensch, wenn er liebt, nicht zerstören kann und will. Dass er alles dafür tut, damit die Landschaft blüht. Dass das Brot gerecht verteilt wird. Dass er die Zerbrechlichkeit eines jeden Lebens würdigt – und deshalb im Getöse der Welt die Stille übt.

Still, damit wir Gott hören – an diesem Ort. In diesem Land. Still, damit du hörst, wie du lebst!

Denn das ist die entscheidend neue Bewegung des aufregenden Bibeltextes: Gott will, dass du lebst, wie du lebst. Er bindet dich ein in seiner Liebe und lässt dich deshalb los. So wie Väter und Mütter auch loslassen müssen. Hoffend, dass die geliebten Losgelassenen Freiheit und Erkenntnis in sich vereinen. So liebt sich Gott auch in unser Herz hinein; er schreibt sein Gesetz in unser Herz und unseren Sinn, damit wir Bündnisse fürs Leben schließen und helfen, wo es uns möglich ist; unser Herz nicht verschließen vor der Not des Bruders und der Schwester.

Bündnisse fürs Leben sind Rettungspakete auch für die, die nicht gerecht teilhaben an den Gütern dieser Erde ; für Bildung, für Gesundheit, für Rettung aus dem Meer; dass wir unser Herz nicht verschließen vor der Not der Tiere in den langen Transporten und ihrem elenden Leben in der Massentierhaltung. Geiz ist eben nicht geil und Schnäppchen nicht immer klug und gut!

Und in Gedenken an den weisen Jeremia lassen wir eine Scherbe von Hand zu Hand gehen und fangen vielleicht an von unseren Lebensworten zu erzählen. Wie wir hoffen, was wir glauben, wen wir lieben. Und voller Dankbarkeit erkennen wir, dass unser Leben eine Richtung hat. Sinn. Dass da so viel Licht ist und Kraft. Dass Trost uns erreicht hat inmitten mancher Traurigkeit. Amen!
  

Ich wünsche Ihnen einen schönen, entspannten Sonntag

Ihre Heike Schulze-Wegener

  



Erstellt am Sonntag, 24. Mai 2020
Zuletzt aktualisiert am Samstag, 06. Juni 2020